Kalt ist nicht immer schlecht..
Aber:
Mein Leben lang lebte ich in Deutschland. Im Norden, im kalten, windigen und rauen Norden. Man könnte mich fast schon als einen modernen Wikinger bezeichnen. 27 Jahre lang erlebte ich jedes Jahr die 4 Jahreszeiten Deutschlands. Beginnend mit einem schüchternen und zarten Frühling. Über den grünen Frühling kann man sich eigentlich nicht beschweren, da er nichts Großes verspricht. Leicht ansteigende Temperaturen und eine farbenfrohere Welt.
Manchmal ist der Frühling
schon frühzeitig sehr warm und viele Menschen gehen raus, genießen die wohlige Wärme oder gönnen sich ein kleines Sonnenbad in der Mittagspause bei der Arbeit. Oft ist der Frühling aber lange kalt und lässt die Hoffnung auf den folgenden Sommer lange warten. Bis es auf einmal für zwei Wochen schön warm und das Hoffnungsfeuerwerk in den Köpfen aller Staunenden geschossen wird. Dies sollte der Startschuss für den Sommer sein, aber nicht in Deutschland.
Wie bei jedem Feuerwerk, ist die Dauer der kunterbunten Freude relativ kurz.
Es kommt gerne vor, dass danach die Temperaturen runter gehen, es beständig regnet und die Menschen sich wieder nach drinnen und in sich selbst verziehen. Die Sommer hier bei uns, gerade im Norden sind unzuverlässig und sehr oft von kurzer Dauer. Wenn der Wetterbericht einem das gute Wetter verspricht, wird alles in Bewegung gesetzt dies auch vollkommen nutzen zu können. Die Arbeit wird halbherzig erledigt, Termine werden verschoben, das vorgekochte Abendessen wird nicht angefasst und die Einsendeaufgabe für das Fernstudium wird später angefangen.
Wann später? Irgendwann, nur nicht dann, wenn es mal warm ist im kalten Deutschland. Und bei einer versprochenen Woche beständiger Sonne bleibt es selten. Entweder schleicht sich frech der Regen ein oder Wolken schieben sich über den Himmel und unsere anfangs gute Laune. Somit sind wir oft verärgert, niedergeschlagen und genervt. Und da spreche ich bloß vom Sommer.
Die anderen Jahreszeiten
meinen es auch nicht gut mit uns. Denn nach einem meist unbefriedigenden Sommer folgt ein nasser und stürmischer Herbst. Man könne meinen, dies sei der zweite Sommer, da er sich von den Temperaturen oft ähnelt. Mehr Regen, stärkere Winde, weniger Tageslicht und nasse Schuhe und Hausflure beschreibt den deutschen Herbst.
Wir kommen aus einem unbefriedigenden Sommer in einen Herbst, der die Laune der Deutschen noch mehr verdüstert als Straßen mit defekten Laternen.
Heruntergezogene Mundwinkel und zusammengekniffene Augen sieht man kaum leuchtend in der Stadt, da das innere Feuer auf Sparflamme flackert. Hinter beschlagenen Autoscheiben wärmen sich die grimmigen Mienen den kälter werdenden Körper auf, der sich so sehr nach Sonne und ihrer Wärme sehnt. Wir wissen nämlich was nach dem unbefriedigenden Sommer und dem nassen Herbst folgt.
Es sind die Vorstufen zu unserem milden und grauen Winter. Dieser beginnt mal im September, mal im Februar. Auf einen jährlich gleichen Start können wir uns nicht verlassen. Und eine Garantie für eine weiße Weihnacht gibt es auch nicht. Bloß kalte, nasse Füße, leere Bäume und triste Tage.
Der einzige volle Baum ist der zu Heiligabend. Und darunter liegen Geschenke, die einem die innere Sonne auch nicht entflammen lassen.
Diese grauen Tage
enden dann frühzeitig in dunklen, langen Nächten, wo wir uns in unsere Zimmer bei Duftkerzen und Wein verkriechen. Morgens dürfen wir dann das Eis vom Auto kratzen und mit kalten Fingern zu einem Beruf fahren, den wir liebend gerne hinschmeißen würden. Wenn es mal schneit, sorgen die für einen Winter milden Temperaturen dafür, dass der Schnee ein ungebetener Gast ist, und sie verwandeln ihn zu Wasser.
Und das Wasser verbindet sich aus Groll mit all dem Dreck der Straßen. Die beiden bedecken, statt dem weißen Schnee, dann die Stadt mit einer zähen Suppe aus Zigarettenstummeln und Hoffnungslosigkeit. Das Haar in der Suppe ist dann das kleinste Übel. Nach all dem Trübsal beginnt zwischen März und Juni wieder der schüchterne und zarte Frühling. Oft schneit es im April noch, obwohl wir dann schon lange bereit sind für auflockernde und hoffnungsvollere Temperaturen.
Somit leben wir jedes Jahr in Ungeduld und Unzufriedenheit. Die meisten von uns Deutschen. Oder zumindest die, mit der lautesten Stimme. Die, die sich beschweren, aber nichts ändern. Die, die täglich zynisch und mit einer stets viel zu kurzen Zündschnur aufwachen und sich als Lebensaufgabe das Versprühen grimmiger Minen und schlechter Launen gesetzt haben.
Die Artisten zorniger und enttäuschter Mimik.
Die Gemeinschaft wird hier klein geschrieben und viele verschreiben sich dabei noch. Deutsche wollen immer mehr und immer etwas anderes, obwohl doch alles, was nötig, in uns ist. Die Ressourcen für eine barrierefreie und wolkenlose Mentalität finden wir in uns. Als Schatz. Nicht einmal großartig versteckt, aber die meisten suchen gar nicht oder an den falschen Stellen oder mit den falschen Mitteln. Und wundern sich dann, dass sie nicht das finden, was ihnen hilft.
Und daraus entsteht dann Ungeduld. Und aus Ungeduld entsteht Verdruss. Und aus Verdruss entsteht Wut. Und dann ist jeder auf jeden wütend und sucht die Schuld beim Nächsten. Aber nie bei sich selbst. Denn es gibt immer jemanden, dem man die Schuld zusprechen kann. Das ist einfach. Das geht schnell. Das machen viele. Und wer wütend ist, kann keine Liebe zulassen.
Und Liebe bedeutet Wärme. Und Wärme bedeutet Vertrauen, Geborgenheit und Gemeinschaft.
Und wo ein Land in Wut und Kälte denkt, ist kein Platz für Gemeinschaft. Ein Land bricht durch seine eigene Mentalität auseinander und nur wir selbst können etwas dagegen unternehmen. Aber dafür haben die meisten keine Zeit, da sie sich über die kalten Finger beim Eiskratzen der zugefrorenen Autoscheiben oder den Verkehr zur nervigen Arbeit aufregen. Und wenn wir schon bei der Arbeit oder in uns selbst keine Liebe und kein Glück erfahren, muss sich dies erkauft werden.
Und diese meist unnötigen Geschenke liegen dann unter dem Baum zu Heiligabend. Somit entsteht ein nie endender und gefährlicher Wettkampf um die schönsten Kleider, die schnellsten und lautesten Autos, das teuerste Essen oder die luxuriöseste Uhr am Arm. Das ist Deutschland. Deutschland lebt vom Wetter. Wie jedes Land.
Bienvenidos a España
Anders ist da Spanien. Spanien liegt viel südlicher. Spanien hat mehr Küsten, mehr Strände. Mehr Sonne und beständigere Temperaturen, bei denen man gerne draußen lebt. Spanien, wo Strände „Costa del Sol“ (Küste der Sonne) oder „Playa de Santa Ana“ (Strand der heiligen Anna) heißen. Spanien, wo man ab 20:00 Uhr erst Essen geht und sich lange draußen aufhält. Das ist Spanien, das ist Leben, das ist Freude. Die Spanier passen sich dem Wetter an. Sie betreiben viele Freizeitaktivitäten in der Natur und erfreuen sich an goldenen Sonnenstrahlen und den klaren, blauen Himmel.
Fast das ganze Jahr, wenn man weiter in den Süden Spaniens wandert, kann man sich täglich von der Sonne erfüllen und bräunen lassen. Ein fast ewiger Sommer. Oder ein überwiegender Frühling, wenn man weiter im Norden wohnt. Auf jeden Fall ein ewiger Frühling im Herzen der Spanier. Ein wichtiger Teil der Kultur besteht darin, sich abends draußen zu treffen und zusammen an Tischen zu sitzen, Tapas mit Wein oder Nüsse mit Bier zu genießen. Dabei halten sie heitere Gespräche, lernen sich besser kennen oder hören Geschichten von Freunden, die von ihren Freunden und deren Geschichten erzählen. Wer wo einen geheimen Strand entdeckt hat oder wo man ungestört den schönsten Sonnenuntergang bewundern kann.
Spanien ist belebt, Spanien ist beliebt, Spanien ist pure Freude.
Es wird hier nicht nur die Haut erwärmt, sondern viel mehr das Gemüt und der Geist der Menschen. Die Laune wird angehoben, so wie die Weingläser beim Anstoßen auf ein schönes und leichtes Leben.
Im Süden Spaniens
sinken die Temperaturen genauso wenig wie heutige hochmoderne Kreuzfahrtschiffe. Die Spanier erledigen ihre Arbeit in Ruhe. Die Zeit spielt eine freundschaftliche Rolle, statt eine feindliche. Denn dort muss man sich nicht beeilen, um die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf Druck zu erhaschen. Dort scheint die Sonne öfter, länger, beständiger und für alle.
Der Frühling in Spanien
ist direkt da und zeigt was er kann. Er bietet lange und warme Tage und lässt sich nicht kleinkriegen. Wolken hindern ihn nicht daran alles zu geben, was er im Repertoire hat. Der spanische Frühling motiviert die Menschen die Natur zu erkunden oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Somit sind viele schon vor der Arbeit ausgeglichen und haben neben ein paar Fettzellen auch ihre eventuell schlechte Laune verbrannt. Und der Sommer zieht die Temperaturen noch mal um einiges an. Man geht automatisch raus, weil der gesamte Körper mit all seinen Phasern spürt und weiß, wie wichtig Vitamin D3 ist, wie wichtig das Zusammensein mit anderen Menschen ist. Lebendigkeit und Geselligkeit. Frohsinn und Heiterkeit. Freude und Balance. Das sind die Säulen des Sommers in Spanien.
Und somit auch die Säulen des Geistes der Menschen, die dort leben.
Kalte Getränke und rhythmische Musik lassen das Tanzbein wilde Kreise ziehen und malen wundervolle Bilder in der Luft. Und da sich jeder gerne in der Wärme bewegt und wilde Kreise zieht, berühren sich die Kreise aller und verbinden sich zu einem gewaltigen, nie endenden Gemälde. Es wird Kunst erschaffen.
Kunst durch Gemeinschaft, Kunst durch Liebe, Kunst im Moment und Kunst für die Ewigkeit.
Der Herbst im Süden Spaniens
ist genau so attraktiv und belebend. Denn der Sommer reicht ihm die Hand und flüstert ihm ins Ohr, was die Menschen glücklich macht. Was die Menschen verbindet und was den Menschen so sehr guttut. Und der Herbst versteht es. Er übernimmt die Leichtigkeit des Sommers und verbreitet diese in den nächsten Monaten. Weitere Getränke werden kaltgestellt und Snacks vorbereitet. Sonnenuntergänge werden genossen und die Getränke und Snacks geleert. Livemusik tropft Farbkleckse auf die Leinwand der Gesellschaft und erzeugt somit ein buntes, kulturelles solidarisches Bild in den Köpfen aller, die draußen sind. All jener, die sich mit- und untereinander am wohlsten fühlen. All jener, die lieber draußen mit Freunden lachen, singen und tanzen, statt auf etwas besseres zu warten, was nicht kommt, wenn man nur wartet. Es kommt, wenn man aktiv etwas dafür in Bewegung setzt und den Willen hat, wohlgesonnen und hilfsbereit zu sein.
Das ist Spanien. Spanien lebt vom Wetter. Probleme gibt es hier genau so viele wie in Deutschland, nur werden Lösungen motivierter und als Gemeinschaft gesucht und gefunden und dann gezielt und nachhaltig eingesetzt. Und da die Menschen öfter draußen in der Natur sind, haben sie eine viel innigere Beziehung zu unserer Welt und deren Schätze. All die Wunder, die uns zugänglich sind, wollen sie genießen und erhalten. Haben die Menschen eine stärkere Verbindung zu unserer wundervollen Welt, sind sie mehr in der Balance.
Sie bekommen mehr zurück, als sie geben können. Sie finden, ohne etwas zu suchen. Sie geben ohne etwas zu wollen.
In Spanien wird nicht als Einzelperson gedacht, sondern als Gemeinschaft. Und eine Gemeinschaft sorgt sich umeinander. Eine Gemeinschaft bewegt mehr als eine einzelne Person. Und das wissen die Spanier, das wissen die Menschen, die unter der Sonne leben und die Sonne nicht nur auf der Haut, sondern auch im Herzen tragen. Und somit tragen sie ihre Herzen auf der Zunge und auf der Hand und erschaffen neben den natürlichen Wundern auf der Welt, Wunder in zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Beziehung untereinander ist also um ein Vielfaches höher als im kalten, ja fast schon emotionskalten Deutschland. Die Solidarität wird in Spanien groß und richtig geschrieben.
Menschen helfen
sich von Grund auf gerne und meinen es ernst, wenn sie dich fragen: „Wie kann ich dir helfen?“.
Sowas hört man in Deutschland leider selten, bis gar nicht. Ausnahmen gibt es immer. In Deutschland hieße der Satz „Wie kann ich mir helfen?“ oder „Was haben die anderen gegen mich?“ oder „Warum immer ich?“. Und damit stehen wir bei einem großen Problem in der jetzigen Phase. Warum gehen Menschen gegen andere Menschen an, statt ihnen zu helfen? Warum ist man sich selbst wichtiger als der andere? Warum tragen wir die Sonne nicht in unserem Herzen, sondern warten auf sie vergebens von außen? Warum sind wir immer enttäuscht, obwohl wir doch wissen, dass sie nicht jeden Tag bei uns ist? Warum akzeptieren wir nicht jedes Wetter wie es kommt, statt dies zu verachten?
Warum suchen wir die Probleme immer bei den anderen, anstatt in uns selbst auf die Suche zu gehen?
Warum arbeiten wir nicht zusammen
für ein stärkeres, gemeinschaftlicheres Uns? Warum legen wir nicht mal all unsere Schuldsprüche und schlechte Laune beiseite und nehmen uns Zeit für uns? Warum ist es so schwer, sich einzugestehen, dass die Verantwortung bei uns selbst liegt und nicht bei den anderen? Denn die anderen kümmern sich um sich und nicht um dich. Denn die anderen wollen von dir nichts hören, denn die sind damit beschäftigt sich über das schlechte Wetter über und in unseren Köpfen aufzuregen.
Es sind immer die anderen, die schuldig sind für unsere Laune. Aber was wäre, wenn wir vom Ich zum Uns wandern? Was wäre denn, wenn wir unsere Freude teilen, statt auf dieser in unseren Zimmern zu sitzen, während wir auf besseres Wetter warten? Was wäre, wenn wir endlich mal verstehen, dass wir das Wetter von außen nicht verändern, aber akzeptieren können?
Was wäre, wenn wir endlich mal verstehen, dass wir das Wetter in unseren Köpfen verändern können?
Wir sind so oft damit beschäftigt uns über die inneren Wolken, Stürme und Regenschauer zu beschweren, dass wir eines in dieser Enttäuschung vergessen. Wir sind sowohl für das schlechte als auch für das gute Wetter in unseren Köpfen verantwortlich. Wir selbst tragen die Verantwortung. Und wenn mehr Menschen verstehen, dass wir für unsere Sonne im Kopf selbst verantwortlich sind, entsteht ein gemeinschaftliches Wetter in den Köpfen aller.
Eine Sonne über der Gemeinschaft.
Eine wolkenlose und hilfsbereite Gemeinschaft, die zusammen an einem Strang zieht. Wenn wir endlich mal verstehen, dass man als gut funktionierende Gemeinschaft so viel mehr erreichen kann, ist allen geholfen.
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